Ostholsteiner Zeitung vom 11.07.2023
Die Pläne des Umweltministeriums für die Ostsee stoßen auf Widerstand – An der Westküste aber ist die Kritik fast verstummt
Tönning/Kiel. Die Pläne für einen Nationalpark in der Ostsee werden kontrovers diskutiert. Ein anderer Proteststurm hat sich längst gelegt. Auch gegen den Nationalpark Wattenmeer regte sich einst heftiger Widerstand. Kompromisse zwischen Naturschützern, Wassersportlern, Fischern und der Tourismusbranche ließen ihn schließlich verstummen. Der Nationalpark in der Nordsee gilt daher im Umweltministerium als gutes Vorbild für ein Meeresschutzgebiet in der Ostsee.
„Im Wattenmeer kann man beobachten, was Nationalpark heißt“, sagt Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne). An der Westküste, wo einst Mahnfeuer gegen den Park brannten, wird die Lage ähnlich eingeschätzt. Das Nationalparkamt freut sich über „eine breite Akzeptanz“ des Parks, die Schutzstation Wattenmeer spricht von einem Erfolgsmodell und selbst die Fischer geben bei aller Kritik an „einem ausufernden Naturschutz“ zu, dass sie „ein bisschen stolz“ auf den Park vor ihrer Haustür sind. Etwas abseits steht der Bauernverband. Die Popularität des Parks wird von Befürwortern und Skeptikern vor allem damit begründet, dass sich Naturschützer und Naturnutzer in vielen strittigen Fragen geeinigt haben.
So gibt es im mit 441 000 Hektar größten Nationalpark zwischen Nordkap und Sizilien nur eine kleine nutzungsfreie Zone. Sie erstreckt sich südlich des Hindenburgdamms nach Sylt und nimmt mit 12 500 Hektar knapp drei Prozent der Parkfläche ein.
Ein anderes Beispiel betrifft die Fischerei: In der Schutzzone 1 des Nationalparks, die mit 162 000 Hektar gut ein Drittel der Fläche ausmacht, ist die traditionelle Fischerei (etwa Krabben und Muscheln) erlaubt. Mit dem „Muschelfrieden“ 2017 wurden die Muschelfischer in die Schutzzone 2 verbannt. Dafür dürfen sie im Nationalpark Saatmuschelkulturen betreiben.
Auch der Tourismus wird durch den Nationalpark kaum eingeschränkt. Inseln wie Sylt, Amrum oder Föhr und die bewohnten Halligen gehören nicht zum Nationalpark. Gleiches gilt für die Strände. Der Nationalpark beginnt in der Regel erst 150 Meter vor der Küste. Die Schifffahrt zu den Inseln und Halligen ist nicht eingeschränkt. Ansonsten gelten teilweise Geschwindigkeitsbegrenzungen.
Wassersport ist mit Einschränkungen ebenfalls möglich. So dürfen Segler den gesamten Park befahren, ihre Boote aber in sensiblen Bereichen wie den Wurfplätzen der Seehunde nicht trockenfallen lassen. Für Kiter & Co hat der Bund in seiner Befahrensverordnung 22 Spots (Gebiete) ausgewiesen, darunter auch in der Zone 1 (vor Pellworm).
Auch im Nationalpark hat der Küstenschutz Vorrang. Darüber hinaus sind auch nicht lebensnotwendige Nutzungen erlaubt. Dazu gehören Deutschlands einziger Strandparkplatz in St. Peter-Ording und die Ölbohrinsel Mittelplate in der Meldorfer Bucht. Sie liegt im Nationalpark, wurde aber nicht in die Unesco-Welterbeliste aufgenommen.
Minister Tobias Goldschmidt ist voll des Lobes über die vielen Kompromisse, die mit und seit der Parkgründung 1985 geschlossen wurden. Der Nationalpark Wattenmeer sei mittlerweile ein Identifikationsmerkmal, Tourismusmagnet und Wirtschaftsfaktor einer ganzen Region. „Ich bin optimistisch, dass uns das an der Ostsee auch gelingen kann.“ Zuspruch erhält der Minister vom Sprecher der Schutzstation Wattenmeer, Christof Goetze: „Der Nationalpark Wattenmeer ist sicherlich ein Vorbild für andere Schutzgebiete.“ Aber gerade mit Blick auf die Pläne für einen Nationalpark Ostsee gibt es auch Bedenken.
„Ein Nationalpark bedeutet einen ständigen Kampf gegen weitere Einschränkungen“, warnt etwa Jan Möller, der Sprecher der Krabbenfischer. So würden „Naturschützer an der Westküste ohne wissenschaftliche Begründung etwa weitere Nullnutzungszonen“ fordern. „Das geht nie zu Ende.“
Auch der Präsident des Bauernverbandes, Klaus-Peter Lucht, ist kein Fan des Nationalparks Wattenmeer. „Man hat das Ding jetzt und lebt damit.“ Ein Erfolgsmodell sei der Park nicht. Lucht beharrt darauf, dass ein Nationalpark Ostsee viele Nachteile habe und eine „Allianz zum Schutz der Ostsee“ mehr für Mensch und Natur bringe.
Quellenangabe: Ostholsteiner Zeitung vom 11.07.2023, Seite 9