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Nationalpark Ostsee schon vor dem Aus?

In den Debattenrunden hagelt es Kritik an den Plänen von Umweltminister Goldschmidt – Auch in der Union wächst der Widerstand

Kiel. Die Gesprächsrunden über einen Nationalpark Ostsee gehen im September auf die Zielgerade. In den ersten vier Veranstaltungen hatten Bauern, Touristiker, Fischer und Wassersportler ein großes Meeresschutzgebiet mit umfangreichen Nullnutzungszonen abgelehnt. Sollten sich Wirtschaft und Urlaubsorte in den nächsten Wochen ähnlich kritisch äußern, wäre ein Nationalpark Ostsee kaum noch durchsetzbar.

Unterdessen zeigen Befürworter und Gegner eines Parks Flagge. Umweltminister Tobias Goldschmidt schippert erstens an diesem Freitag mit seiner Bundeskollegin Steffi Lemke (beide Grüne) zu einem Munitionsfriedhof und leitet zweitens am übernächsten Sonnabend auf einem Meeresschutzkongress im Landeshaus einen Workshop zum Thema „Erfolgsmodell Nationalpark“. Die Kritiker machten schon mobil. Sie empfingen auf Fehmarn Regierungschef Daniel Günther (CDU) mit Pfiffen und protestierten mit einer Sternfahrt in der Geltinger Bucht gegen einen Nationalpark.

Hohn und Spott bei Diskussionsrunden

Siegessicher geben sich die Kritiker, weil Goldschmidts Pläne in den ersten Konsultationsrunden zerfleddert wurden. Die Bauern weigerten sich, ernsthaft über Parkpläne zu diskutieren, die Tourismusbranche lehnte ein solches Schutzgebiet mit großer Mehrheit ab. Bei den Fischern und Wassersportlern erntete Goldschmidt teils bitterböse Kommentare, unter anderem zu der Frage, welche Chancen ein Park für sie persönlich bringe. „Mehr Zeit für die Familie – da arbeitslos“, antwortete ein Wassersport-Unternehmer. Ein Fischer spottete, er könne ja auf „Wal-Watching“ umsatteln, ein anderer ließ den Minister wissen, dass er sich eine „Anstellung als Sea Ranger mit mindestens A15“ vorstellen könne. A15, das bekommen in Schleswig-Holstein Schulräte und Studiendirektoren.

Umwelt-Staatssekretärin Katja Günther (Grüne) zeigte sich gleichwohl zufrieden mit den ersten Gesprächsrunden. „In den bisherigen Veranstaltungen haben wir kontrovers diskutiert, aber auch spannende Impulse mitgenommen“, bilanzierte sie. „Davon erhoffen wir uns in den kommenden Wochen noch mehr.“ In dieser Woche stehen die Chancen dafür gut, weil die Naturschützer zu Wort kommen. Danach wird es ungemütlicher. Mitte September soll sich die regionale Wirtschaft äußern, dann sind in einer Nord-Veranstaltung (unter anderem mit Kiel) und einer Süd-Veranstaltung (mit Lübeck) die Ostsee-Kommunen dran. Hier wie dort wird ein Nationalpark eher skeptisch gesehen.

Eine Vorentscheidung dürfte am 1. November fallen. Dann will das Ministerium die Ergebnisse der Konsultationsrunden zusammentragen und auf dieser Grundlage entscheiden, ob es dem Kabinett die Einrichtung eines Nationalparks Ostsee vorschlägt oder nicht. Das letzte Wort hat der Landtag. Auch dort wird ein Nationalpark sehr unterschiedlich bewertet. Die FDP hält die Pläne wegen des breiten Widerstands entlang der Küste bereits für gescheitert. „Minister Goldschmidt reitet ein totes Seepferdchen“, spottete der FDP-Fraktionsmanager und Landesvorsitzende Oliver Kumbartzky.

Auch die CDU-Fraktion ist auf dem Rückzug. „Es bleibt dabei, dass es mit uns keinen Nationalpark gegen den Willen der Menschen vor Ort geben wird“, versicherte die Umweltpolitikerin Cornelia Schmachtenberg. Es sei falsch, die Ostsee einfach nur mit einem Nationalpark sich selbst zu überlassen. „Daher schauen wir uns aktuell auch mögliche Alternativen an.“

Die Absetzbewegung der Union dürfte in den nächsten Wochen noch stärker werden, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen wächst insbesondere in der ostholsteinischen CDU der Frust über die Kieler Parkidee, zum anderen gibt es Hinweise, dass die Parkgegner auf einem CDU-Parteitag Anfang Oktober Goldschmidts Pläne beerdigen wollen. Inzwischen positionierte sich auch die Junge Union. Der CDU-Nachwuchs lehnt den Park als „grünes Prestigeprojekt“ ab.

Nur die Grünen stehen voll zum Nationalpark

Im Landtag stehen allein die Grünen hinter Goldschmidt. „Der Konsultationsprozess zum Nationalpark Ostsee ist gerade erst in der Halbzeit und schon jetzt besteht Einigkeit darüber, dass wir die Ostsee retten müssen“, meinte die Umweltpolitikerin Silke Backsen. „Das ist ein erster Erfolg.“ Und: „Wenn tatsächlich alle etwas gegen den dramatisch schlechten Zustand der Ostsee tun wollen, dann sollten wir mit Offenheit über die Chancen eines Nationalparks reden.“

SPD und SSW legen sich inhaltlich noch nicht fest, weisen aber genüsslich auf die Differenzen in der schwarz-grünen Regierung hin. „Die Grünen sind auf Werbetour und die CDU ist auf Konfrontationskurs, irgendwo dazwischen schwimmt der Ministerpräsident“, frotzelte Sandra Redmann (SPD).

Aus Sicht von Christian Dirschauer (SSW) geht es nur noch um Gesichtswahrung. „Die Grünen brauchen diesen Nationalpark um jeden Preis, damit fossile LNG-Strukturen nicht ihr einziges Erbe aus dieser Legislatur bleiben.“ Die CDU hingegen spüre den Gegenwind und mache zunehmend mobil gegen ein Projekt, das ohnehin nie ihres gewesen sei. Dirschauers Fazit: „Schwarz-Grün täte gut daran, die Karten auf den Tisch zu legen und nochmal von vorn zu beginnen.“



Quellenangabe: Ostholsteiner Zeitung vom 30.08.2023, Seite 13